Klara von Veegh gewinnt Hauptpreis mit Glimmer
Das Drehbuchforum Wien, das Österreichische Filminstitut/gender*in*equality in Kooperation mit FC GLORIA – Frauen Vernetzung Film freuen sich sehr, die Preisträgerin der zweiten Wettbewerbsstufe IF SHECAN SEE IT, SHE CAN BE IT bekannt zu geben: Klara von Veegh mit Glimmer
Aus den fünf Finalist*innen der ersten Wettbewerbsstufe wurde die Preisträgerin mit dem Hauptpreis von 15.000,- Euro plus dramaturgischer Begleitung ausgezeichnet! Wir gratulieren der Preisträgerin sehr herzlich und möchten alle Nominierten zur Weiterentwicklung ihrer spannenden Treatments ermutigen!
Eine Special Mention der Jury ging an Gloria Gammer für Wie man ein Alpenkönig wird.
Die Wettbewerbs-Finalist*innen waren:
- Monika Farukuoye mit Der unerhörte Fraum
- Gloria Gammer mit Wie man ein Alpenkönig wird
- Gabriele B. Neudecker mit Secret Anastasia
- Klara von Veegh mit Glimmer
- Judith Zdesar mit Unter Tage
Wir danken der fünfköpfigen Jury:
Tina Leisch, Film-, Text- und Theaterarbeiterin
Sabine Scholl, Autorin, Essayistin
Anna Schwingenschuh, Drehbuchautorin, Filmemacherin, Haupt-Preisträgerin des Vorjahres
Titus Selge, Drehbuchautor, Regisseur
Weina Zhao, Drehbuchautorin, Filmemacherin, Preisträgerin 2017/18
Die feierliche Preisverleihung fand am Mittwoch, den 29. Juni 2022 um 20.00 Uhr im Filmcasino in Wien statt. Die Pressemappe finden Sie hier >
Informationen zum Preis, den Nominierten und der Jury siehe weiter unten.
Glimmer
Klara von Veegh
Jurybegründung
In einer Welt, in der Heimat nur noch eine Erinnerung ist, in der selbst Ordnungsmächte eine Gefahr für den Einzelnen darstellen, herrscht beständige Unsicherheit. Im Niemandsland hilft die Schlepperin Celia Menschen über die Grenze in ein unbestimmtes Terrain, von dem diese Sicherheit erhoffen. Brutalität und Grausamkeit sind an der Tagesordnung. Die Figur der Schlepperin wird dabei durchaus ambivalent gezeichnet, sie ist sowohl Nutznießerin als auch Opfer der desaströsen Lage, sie ist kaltblütig, aber auch durch den Verlust ihres Kindes traumatisiert. Völlig unsentimental werden Kindersoldaten dargestellt, die ihre Unschuld und Unbefangenheit längst verloren haben und ihre grausamen Aufträge mithilfe von Crystal Meth erledigen. Das ist die Währung, wo konventionelle Zahlungsmittel versagen. Wo jeder gegen jeden kämpft, um zu überleben, werden Freundschaft, Elternschaft, Sexualität und Fürsorge genauso brüchig wie der Begriff Heimat als sicherer Ort. Die Atmosphäre von Gefahr und Ausweglosigkeit wird in eindrucksvollen Bildern filmisch gekonnt vor das innere Auge gezaubert. Blicke, Gesten, körperliche Signale, karge Sprachbrocken wirken anstelle erklärender Dialoge. Das Treatment nutzt Töne und Geräusche, um die an apokalyptische Videospiele erinnernde Stimmung sinnlich wahrnehmbar zu machen. Klara von Veeghs „Glimmer“ zwingt die Leserin unweigerlich tagesaktuelle Geschehnisse von Flucht und Krieg aus einer häufig verdrängten Perspektive wahrzunehmen. Wir sind gespannt auf diesen Film und wünschen ihm ein großes Budget. Die Jury gratuliert Klara von Veegh zum Hauptpreis des if she can see it, she can be it Drehbuchwettbewerbs.
Glimmer
In einer postapokalyptischen Welt, die von Gewalt und Chaos geprägt ist, ist die Schlepperin Celia für viele Menschen die einzige Hoffnung zu überleben. Als der Flüchtling Lovis sie bittet, ihn und seine Tochter Kora über die Grenze in den österreichischen Bergen zu führen, wird Celia mit ihrer grausamen Vergangenheit konfrontiert und muss buchstäblich aufbrechen, um heimzufinden.
Gespräch mit Marie Kreutzer zur Entwicklung der Figur der Kaiserin Elisabeth im Drehbuch
Wir freuen uns besonders, die Drehbuchautorin und Regisseurin Marie Kreutzer für diesen Abend als Special Guest gewonnen zu haben. Ihr Film Corsage hatte gerade in Cannes seine Weltpremiere in der Sektion Un Certain Regard und wurde begeistert gefeiert und mit dem Darsteller*innenpreis für Vicky Krieps ausgezeichnet.
Marie Kreutzer sprach mit Wilbirg Brainin-Donnenberg über die Entwicklung der Figur der Kaiserin Elisabeth im Drehbuch, von dem Spagat zwischen historischen Fakten und Dokumenten und ihrer eigenen Interpretation, von der Bürde der Konnotation einer berühmten historischen Figur und dem Versuch der Recherche nach vielleicht verdeckten Wesenszügen der Kaiserin und der bewussten Dekonstruktion des Sissi-Mythos. Anhand von ersten Clips aus Corsage ging es um das Körperbild, die Rolle als Kaiserin und ihr Aufbegehren gegen ihre ausschließliche Rolle als Staffage. Marie Kreutzer war es ein Anliegen sowohl die Kaiserin als auch den Kaiser als differenzierte, widersprüchliche Figuren darzustellen. Mit ihrem Film bringt Marie Kreutzer bewusst weitere Facetten von Kaiserin Elisabeth ans Licht, jenseits der berühmten Abbildungen und romantisch verklärten Erzählungen. Am Schluss wurde auch das Medium Film als künstlerisches Mittel in Corsage und das Erbe der Sissi-Verfilmungen thematisiert. Das Gespräch kann hier nachgehört werden >
Marie Kreutzer
Marie Kreutzer ist Drehbuchautorin und Regisseurin, sie studierte Buch und Dramaturgie an der Filmakademie Wien. Sie ist langjähriges Vorstandsmitglied des Drehbuchforum Wien und des Drehbuchverband Austria und im Aufsichtsrat des Österreichischen Filminstituts. Mit ihrem ersten Langspielfilm Die Vaterlosen gewann sie u. a. den Großen Preis des österreichischen Filmfestivals Diagonale. Es folgten die Kinofilme Gruber geht und Was hat uns bloß so ruiniert, bei denen sie für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnete.
Ihr Spielfilm Der Boden unter den Füßen wurde zu den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2019 in den Wettbewerb um den Goldenen Bären eingeladen. Fürs Fernsehen drehte sie die Stadtkomödie Die Notlüge und den Landkrimi Vier (Buch und Regie).
2022 folgt mit Corsage ein Historiendrama um Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn mit Vicky Krieps in der Hauptrolle, das bei der Weltpremiere in Cannes begeistert aufgenommen wurde.
Die Vielfalt der Einreichungen
Wir bekamen 41 Exposé-Einreichungen von 60% Frauen* und 40% Männern*, normalerweise bei Projekt-Einreichungen ist es ja umgekehrt gewichtet, nämlich dass 70 % Männer und 30 % Frauen einreichen. Ein klares Zeichen dafür, dass es genug Frauen gibt, die schreiben, sie müssen sich nur willkommen fühlen und es ist in diesem frühen Stadium auch noch mit weniger Hürden verbunden.
Pitching
Zum Pitching mit Produzentinnen und Producerinnen, das Ende Jänner 2022 entweder in person oder online stattfinden wird, wurden von der Jury 14 weitere Stoffe ausgewählt, wodurch diesen dadurch ein guter Start in die Stoffentwicklung gegeben werden kann. Die Preisträger*innen können erstmals auch bei dem beliebten Pitching in kleinen Runden teilnehmen.
Das Pitching findet wie immer als Kooperation von Drehbuchforum Wien, FC Gloria Frauen Vernetzung Film, Film Fatale – Interessensgemeinschaft österreichischer Producerinnen & Produzentinnen, Propro Produzentinnenprogramm, Fachvertretung Film und Musikwirtschaft der WKW und Österreichisches Filminstitut/gender*in*equality statt.
Keynote
Die Keynote kam dieses Jahr von der Kulturwissenschaftlerin und Autorin Mithu M. Sanyal, die sich in ihrem Beitrag zum Sammelband Eure Heimat ist unser Alptraum und ihrem kürzlich erschienenen Roman Identitti mit Themen wie Identitätspolitik, Rassismus und Feminismus beschäftigt. Im Gespräch mit Wilbirg Brainin-Donnenberg ging sie besonders auf ihren Zugang zum Heimatbegriff und Diversität ein.
Ausblick
Die fünf ausgewählten Stoffe werden bis Mitte Mai 2022 zu Treatments weiterentwickelt und stehen dann erneut im Wettbewerb. Einer der Stoffe wird durch die Jury mit einer weiteren Förderung von 15.000 Euro ausgezeichnet. In dieser Phase geht es um die Entwicklung vom Treatment zu einem fertigen Drehbuch. Auch diese Phase schließt eine dramaturgische Begleitung mit ein.
Dank an das Österreichische Filminstitut – unserer Partnerin des Wettbewerbs – danke an Iris Zappe-Heller und Roland Teichmann für ihr kontinuierliches Engagement und die Finanzierung des Wettbewerbs, um den uns viele beneiden.
Die Pressemappe zu den Preisträger*innen finden Sie hier >
Der unerhörte Fraum
Monika Farukuoye
Jurybegründung
In ihrer Kindheit sind Cass, Isabelle und Ralph unzertrennlich. Bei einem spielerischen Hexenritual geben sie dem Wald ein Versprechen, damit er ihnen ihr tiefstes, persönlichstes Geheimnis verrät. Das Zeremoniell wird ihnen aber zu unheimlich und sie brechen es ab. Am nächsten Tag wird eine von ihnen das Dorf verlassen. Das war es mit dem Freundeskreis, wäre da nicht ein neuartiger, fluoreszierender Baumpilz im Wald aufgetreten, der Cass als Biologin nach vielen Jahren wieder an diesen Ort zurückbringt.
Der Heimatbegriff wird in dieser mäandernden Geschichte zwischen Naturwissenschaft und Magie, zwischen Umweltverschmutzung und Metamorphose, zwischen Emotion und Analyse versucht begreifbar zu machen und bleibt dennoch ein Geheimnis. Hier herrscht ein Geist mit enervierenden Charme, dem wir nicht widerstehen konnten. Wohin führt uns Monika Farukuoye mit ihrer Geschichte zum Spielfilm »Der Unerhörte Fraum«? Wir sind sehr gespannt auf das Treatment und gratulieren Monika Farukuoye herzlich.
Der Unerhörte Fraum
Eine Biologin mit österreichisch-ugandischen Wurzeln, die zur Feldforschung in ihr Heimatdorf in den Hohen Tauern zurückkehrt, sieht sich dort mit einer Freundin und einem Freund aus Kindheitstagen wieder vereint. Damals ein kindlicher Hexenzirkel, spüren die drei einem möglichen Umweltskandal nach, nähern sich aber erfolgreicher der Frage, was innere, was äußere Heimat ausmacht-in Erfüllung eines längst vergessenen Pakts mit dem Wald.
Monika Farukuoye
ist Autorin, Regisseurin, Filmemacherin und Künstlerin. Ihre Arbeit widmet sich filmischen, literarischen und zeichnerischen Ansätzen, denen ein sinnlich poetischer Zugang gemeinsam ist. In Wien geboren, schloss sie ein Informatikstudium an der TU Wien ab und studierte ein Jahr im Masterstudiengang Regie an der Hamburg Media School, bevor sie 2011 an der Hochschule für Bildende Kunst Hamburg bei Professor Wim Wenders das Masterstudium Bildende Kunst, Schwerpunkt Film abschloss. Zwischen 2014 und 2020 war sie als Universitätsassistentin an der Universität für angewandte Kunst Wien tätig. Sie lebt und arbeitet in Wien.
Wie man ein Alpenkönig wird
Gloria Gammer
Jurybegründung
In einem Nicht-Ort fernab jeglicher Alpenparadies Ästhetik, unweit von Attnang-Puchheim leben die Teenager Billie und Rabia. Während ihre weißen Mitschüler*innen sich für Fridays For Future engagieren, üben die beiden für ihre Rapperinnen Karriere. Als eine Autobahn mitten durch das Dorf gebaut wird, gerät ihr Leben aus den Fugen. Doch anstatt sich mit ihrem Schicksal abzufinden, werden die beiden zu Ökoterroristinnen, die sich mit radikalen Mitteln Gehör verschaffen. „Wie man ein Alpenkönig wird“ ist eine humorvolle coming-of-age-story, der es gelingt Klimagerechtigkeit und Migration in einem modernen Heimatfilm zu vereinen. Gloria Gammer wirft somit höchstaktuelle Fragen auf: Was bedeutet Heimat für Menschen, die in ihrem Zuhause ihr Leben lang als fremd betrachtet werden? Welche Rolle spielt die soziale Zugehörigkeit im Umweltaktivismus? Ist die profitorientierte Zerstörung von Lebensräumen nicht schlimmer als die Zerstörung von umweltschädlichem Privateigentum? Radikal, aber ohne Gewalt zu glorifizieren, fantasievoll und realistisch zugleich, erzählt Gammer von zwei jungen Heldinnen, die wir unbedingt im Kino sehen wollen. Herzliche Gratulation an Gloria Gammer zu Wie man ein Alpenkönig wird!
Wie man ein Alpenkönig wird
Rabia und Billie träumen von einer autolosen Alpenrepublik, von einer schönen Landschaft ohne sie trennende Autobahn, und von sich als Rapstars oder Alpenkönig. Als ihr friedlicher Protest von der Politik nicht in der gewünschten Form ernst genommen wird, greifen sie zu radikaleren Mitteln. Man erklärt sie zu Terroristinnen, der Feuilleton spricht von ihnen als die rappenden Nachfahrinnen Thomas Bernhards.
Gloria Gammer
Gloria Gammer (sie/ihr) (*1985, Linz, Österreich) ist eine in Berlin und Linz lebende Filmemacherin. Sie studierte Filmregie in Barcelona und Philosophie in Berlin. Ihre Filme wurden auf Festivals wie dem Kortfilmfestival Leuven oder der Diagonale Festival des österreichischen Films gezeigt, Videoarbeiten beispielsweise im MAK Wien im Rahmen des sound:frame Festivals oder am Steirischen Herbst. 2020 war sie Pixel, Bytes&Film Artist in Residence (ORF III und BMKÖS) und nahm außerdem an der Drehbuchklausur des Filmfestivals Kitzbühel teil.
Secret Anastasia
Gabriele B. Neudecker
Jurybegründung
Nun, da Verschwörungserzählungen und esoterische Ideen eskalieren, erhält Secret Anastasia mit Schauplatz einer christlichen Sekte im Salzburger Land besondere Dringlichkeit. Die Autorin hat die Strategien dieser tatsächlich existierenden Gemeinschaft recherchiert, auch um den Missbrauch des Begriffs Heimat als Ort ungetrübter Naturverbundenheit zu konterkarieren. Besonders von der Gesellschaft Vernachlässigte, wie alleinerziehende Mütter, lassen sich von deren Hilfsangeboten verführen. Befinden sie sich einmal im Inneren der Sekte, müssen sie strenge Regeln befolgen, wie die aufgeweckte 12jährige Leonie bald bemerkt. Freundschaften werden verhindert, Kritik mit harter Strafe und Psychoterror gelöscht. Leonie versucht wiederholt Botschaften an die Außenwelt zu senden. Die Gegensätze von heilem Image nach außen hin und repressiven Vorgängen im Inneren schaffen ein Spannungsfeld, das besonders Kindern schadet. Der Film wird getragen von Leonies Befreiungsversuchen und deren Rückschlägen. Knapp bevor ihre Kraft in einem Exorzismus gebrochen werden soll, wird das Mädchen gerettet. Ein wichtiges und mutiges Projekt. Gratulation an Gabriele B. Neudecker zu Secret Anastasia!
Secret Anastasia
Als die 12-jährige Leonie mit Mutter und Bruder am idyllischen Anastasia-Hof einzieht, glaubt sie sich im Paradies. Doch die Träume der dort lebenden Menschen werden skrupellos ausgenutzt. Auch Leonie erfährt in der Gemeinschaft der „Schaffenden Christen“ Unterdrückung, Gehirnwäsche und martialische Strafen. Die Leiterin der fundamentalistischen Bewegung entpuppt sich als sadistische Psychopathin, die Menschen zu ihrem Spielzeug macht. Leonie ist gefangen in einem dunklen Netz aus Angst, Abhängigkeit und Gewalt-doch sie will fliehen.
Gabriele B. Neudecker
Ihr Werdegang liest sich wie ein Abenteuer, denn der Beruf Filmemacherin stellt sich für die dreifache Mutter als wagemutiges Unternehmen und Tour de Force zwischen Kreativität, Kindern und Küche heraus. Gabriele Neudecker ist eine Salzburger Autorin, Produzentin und Regisseurin von Kino- und Fernsehfilmen. Sie studierte Kommunikationswissenschaften mit dem Schwerpunkt Film/Fotografie in Berlin und Salzburg, war Schülerin der US-Fotografin Nan Goldin und Stipendiatin für Video und Performance bei Nan Hoover. Neudeckers Bücher (u.a. „Glas.Gebirge“) und Filme (u.a. „Freaky“, „DESERTEUR!“, „Gruß vom Krampus“, „Really hard be a good Masai“ und „White girls happy on Zambezi“) thematisieren „Heimat“ und wurden international ausgezeichnet. Als Autor*innenfilmerin reist sie, verknüpft Literatur- und Filmsprache und realisiert mit ihrer Produktionsfirma Pimp the Pony Productions Filme zu gesellschaftlich polarisierenden Themen.
Glimmer
Klara von Veegh
Jurybegründung
In einer Welt, in der Heimat nur noch eine Erinnerung ist, in der selbst Ordnungsmächte eine Gefahr für den Einzelnen darstellen, herrscht beständige Unsicherheit. Im Niemandsland hilft die Schlepperin Celia Menschen über die Grenze in ein unbestimmtes Terrain, von dem diese Sicherheit erhoffen. Brutalität und Grausamkeit sind an der Tagesordnung. Die Figur der Schlepperin wird dabei durchaus ambivalent gezeichnet, sie ist sowohl Nutznießerin als auch Opfer der desaströsen Lage, sie ist kaltblütig, aber auch durch den Verlust ihres Kindes traumatisiert. Völlig unsentimental werden Kindersoldaten dargestellt, die ihre Unschuld und Unbefangenheit längst verloren haben und ihre grausamen Aufträge mithilfe von Crystal Meth erledigen. Das ist die Währung, wo konventionelle Zahlungsmittel versagen. Wo jeder gegen jeden kämpft, um zu überleben, werden Freundschaft, Elternschaft, Sexualität und Fürsorge genauso brüchig wie der Begriff Heimat als sicherer Ort.
Die Atmosphäre von Gefahr und Ausweglosigkeit wird in eindrucksvollen Bildern filmisch gekonnt vor das innere Auge gezaubert. Blicke, Gesten, körperliche Signale, karge Sprachbrocken wirken anstelle erklärender Dialoge. Das Treatment nutzt Töne und Geräusche, um die an apokalyptische Videospiele erinnernde Stimmung sinnlich wahrnehmbar zu machen. Klara von Veeghs „Glimmer“ zwingt die Leserin unweigerlich tagesaktuelle Geschehnisse von Flucht und Krieg aus einer häufig verdrängten Perspektive wahrzunehmen. Wir sind gespannt auf diesen Film und wünschen ihm ein großes Budget. Die Jury gratuliert Klara von Veegh zum Hauptpreis des if she can see it, she can be it Drehbuchwettbewerbs.
Glimmer
In einer postapokalyptischen Welt, die von Gewalt und Chaos geprägt ist, ist die Schlepperin Celia für viele Menschen die einzige Hoffnung zu überleben. Als der Flüchtling Lovis sie bittet, ihn und seine Tochter Kora über die Grenze in den österreichischen Bergen zu führen, wird Celia mit ihrer grausamen Vergangenheit konfrontiert und muss buchstäblich aufbrechen, um heimzufinden.
Klara von Veegh
Klara von Veegh, geboren 1984 in Wien. Studium der Englischen Literaturwissenschaften an der Universität Regensburg (DE), (Film-)Studienaufenthalte in Großbritannien, Dänemark, Schweden. Seit 2008 lebt und arbeitet sie als Filmemacherin und Malerin in Wien. Filmografie: Fidibus (21 min, AT 2021)
Unter Tage
Judith Zdesar
Jurybegründung
Ein gefräßiges Loch in der Erde verschlingt Häuser, Menschen, Lebenspläne und das Urvertrauen. Judith Zdesar hat, beruhend auf realer Bergbaugeschichte, ein bildgewaltiges Szenario geschaffen, das gleichzeitg als Sinnbild für den Verlust des festen Bodens unter den Füßen funktioniert, den wir durch unserem verantwortungslosen Umgang mit der Natur selber verschuldet haben. Auch die Gegenüberstellung des gewachsenen Ortes mit der am Reißbrett entworfenen und aus Betonfertigteilen in die Wiese gestellten neuen Siedlung verspricht filmische Bilder von großer Klugheit für die “Endlifecrisis” einer alternden Frau, die einsehen muss, dass, egal wie alt man ist, Leben immer Bewegung, Weitergehen, Veränderung bedeutet und Verweigerung der Veränderung unweigerlich: Stillstand, also Tod. Wir gratulieren zur Auszeichnung für diese überraschende und spannende Aufbereitung eines nicht unüblichen Mutter-Tochter-Konfliktes. Herzliche Gratulation an Judith Zdesar zu Unter Tage!
Unter Tage
Dreißig Jahre nach einem Grubenunglück, bei dem auch ihr Mann ums Leben gekommen ist, soll Rosa, aufgrund gefährlicher Absinkungen im Erdreich, in das dafür neu gebaute Zwillingsdorf Edlingen II umgesiedelt werden. Rosa, eine pensionierte Ärztin und umtriebige Gemeindepolitikerin, denkt nicht daran, ihr Zuhause zu verlassen. Als ihr Enkel in einem der Krater verunglückt, muss sie in das ungeliebte neue Zuhause ziehen und sich der Veränderung in der Umgebung und in ihrem Leben stellen.
Judith Zdesar
Filmemacherin und Dramaturgin. Studium “Buch und Dramaturgie” und “Regie” an der Filmakademie Wien. Auslandssemester an der HFF Potsdam Konrad Wolf (“Drehbuch”) und an der Université Stendhal in Grenoble (“Documentaire de Création”). Publikationen in Literaturzeitschriften. Lehrtätigkeit an der Kunstuniversität Linz. Beiratsmitglied des bmkös, Abteilung Filmkunst. Ihre filmischen Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt und mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Zuletzt entstand der dokumentarisch-essayistische Film “Das letzte Bild” (2020).
Tina Leisch, Film-, Text- und Theaterarbeiterin
Sabine Scholl, Autorin, Essayistin
Anna Schwingenschuh, Drehbuchautorin, Film- und Fernsehmacherin, Haupt-Preisträgerin des Vorjahres
Titus Selge, Drehbuchautor, Regisseur
Weina Zhao, Drehbuchautorin, Filmemacherin, Preisträgerin 2017/18
Tina Leisch
Film-, Text- und Theaterarbeiterin.
Gestaltet Theaterexperimente in gesellschaftlichen Konfliktzonen, macht Kino, um im Inneren der Bilder den Machtverhältnissen Fallen zu stellen, Mitbegründerin von kinoki, dem Verein Peršman, der Schweigenden Mehrheit und #KlappeAuf.
Sabine Scholl
Autorin, Essayistin, Verfasserin zahlreicher Bücher und Artikel. Interdisziplinäre Kooperationen. Langjährige Auslandsaufenthalte in USA, Portugal, Japan, Berlin, Lehre an Universitäten (Deutsche Literatur, Intercultural Studies, Literarisches Schreiben). Aktuelle Veröffentlichungen: “Lebendiges Erinnern – Wie Geschichte in Literatur verwandelt wird” 2021, “Die im Schatten, die im Licht” 2022, Roman über Frauen im Zweiten Weltkrieg.
Anna Schwingenschuh
arbeitet als freie Film- und Fernsehmacherin.
1981 in Graz geboren, fotografierte analog an der HTLOrtweinschule Graz, studierte Film und Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln bis zu ihrem Diplom 2005. Nach Kurzspielfilmen wie Mindestens haltbar und Der Herzerlfresser erschien 2018 ihr erster Dokumentarfilm Journey through a small hole in a glove über Lofoten und seine Bewohner. Sie hat sich über Preise für ihre Drehbücher schon erfreuen dürfen. Gemeinsam mit Eva Maria Schaller Gewinnerin des Hauptpreises des If she can see it, she can be it Drehbuchwettbewerbs 2020/21 mit Menstruachat – Wenn die Tage zur Regel werden.
Titus Selge
wird 1966 in Münster/Westfalen geboren. Von 1985 bis 1991 ist er Regieassistent am Staatstheater Stuttgart und am Theater Basel. Anschließend inszeniert er unter anderem am Deutschen Schauspielhaus Hamburg.
Von 1994 bis 1998 studiert er an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Seitdem arbeitet er als Regisseur und Drehbuchautor für diverse TV-Sender, so dreht und schreibt er mehrere Folgen der Krimireihen „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Die von ihm gedrehte Folge 47 der Serie „Berlin Berlin“ wird 2004 mit dem International Emmy Award ausgezeichnet.
Seine Verfilmung des internationalen Bestsellers „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq wird 2019 mit dem österreichischen Filmpreis Romy ausgezeichnet.
Weina Zhao
ist in Peking geboren und in Wien aufgewachsen. Sie hat Ostasienwissenschaften studiert und ist Filmemacherin und Autorin. Mit ihren Arbeiten versucht sie unsere Seh- und Denkgewohnheiten herauszufordern. Ihr preisgekröntes Langfilmdebut „Weiyena – Ein Heimatfilm“ (in gemeinsamer Regie mit Judith Benedikt) ist eine dokumentarische Auseinandersetzung mit ihrer Familie und Heimat. Sie liebt Gemüse und Star Trek und ist Mitbegründerin des Perilla Zines.
Konzept
drehbuchFORUM Wien (Wilbirg Brainin-Donnenberg) in Kooperation mit dem Österreichischen Filminstitut gender*in*equality (Iris Zappe-Heller), VGR Verwertungsgesellschaft Rundfunk und FC GLORIA Frauen Vernetzung Film. Organisation: drehbuchFORUM Wien.